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Indoor Biergarten Science Talk

Daniel Kalt, Chefökonom von UBS WM Investment erläutert im Gespräch mit Moderator Michael Chiller-Glaus die Risiken im globalen Kontext und welchen Einfluss Geld auf soziale Entwicklung und Entscheidungen hat. Der Nachname ist wettertechnisch Programm an diesem Abend und so haben sich die Teilnehmenden des Biergarten Science Talk dieses Jahr im warmen Kursaal zusammengefunden.

Der Makroökonom strahlt eine sichere Ruhe aus. In elegantem Dunkelblau, weisses Hemd, Krawatte. Stilsicher, klassisch bis in die Körperhaltung, Uhr, Ring. „Hund, Kinder – eben alles, was dazugehört“ beschreibt er sich selbst nicht nur als Banker, sondern eben auch als Familienvater mit klarer Verantwortung für die nachfolgenden Generationen.

Zusammen mit rund 200 Leuten weltweit beobachtet und analysiert er die Finanzmärkte und leitet mögliche Risikoszenarien ab. Informationen nennt er das wirksamste Mittel um Risiken einzudämmen - die Auswertung von Entwicklungen und Zahlen. Ebenso entscheidend sind Experteneinschätzungen. „Der gesunde Menschenverstand“, sagt Kalt. Aber auch Kenner liegen nicht immer richtig und so wurde beispielsweise das Referendum zum Brexit völlig falsch eingeschätzt – die Folgen sind deutlich sichtbar auf den Finanzmärkten.
Langsame Entwicklungen, beispielsweise in der Demographie, lassen sich sehr gut vorhersagen und einschätzen, aber sobald die Psychologie der Gesellschaft die Entscheidungen beherrscht, wird es schwer, Prognosen zu stellen.
„Der Mensch ist nicht immer rational“, fasst Michael Chiller-Glaus zusammen.

Seine Antwort auf die Frage nach Fehlern in und vor der Finanzkrise 2008 beginnt Kalt mit einem Seufzer und bricht doch gleich wieder ab, als sein Blick auf die völlig unbeeindruckt spielenden Kinder in und vor der ersten Reihe fällt. Er streckt und öffnet sich – für einen Moment sitzt der Familienvater auf der Bühne.
UBS ging damals an den Rand des Kollaps, es folgte der Befreiungsschlag und ein Neustart. „Das Image war erstmal im Eimer“, das zu bereinigen ist ein langer Prozess und dauert noch immer an.

Eine Finanzkrise entsteht aus einem sehr komplexen Zusammenspiel. Haben die Banken überhaupt noch einen Durchblick, was vor sich ging? Am Schluss zählt es, eine Sache zu verstehen und entsprechend zu reagieren. „Wenn Sie ein Anlageprodukt nicht verstehen, dann ist da irgendwas fishy“, fasst Kalt zusammen.
Er versteht sich gut auf das Erklären abstrakter Materie, untermalt sie stets mit eleganten Handbewegungen und antwortet mit Blick auf das Publikum. Ein Bein stets schwebend über das Knie gelegt, eines fest auf dem Boden. Die Füsse wippen unmerklich während er spricht. Hände zeichnen unsichtbare Kurven in den Raum und schliessen sich dann wieder im Schoss zusammen. „Wir Menschen leben vom Vertrauen. Wir vertrauen Geschäftspartnern, Kollegen. Vieles verstehen wir nicht. Irgendwann geht etwas schief, das ist das Risiko, das man eingeht. Je mehr Verständnis wir gewinnen, umso weniger Risiko droht uns“, rät der Ökonom. Sein Team funktioniert durch das Hinterfragen von Prozessen und Optionen. „Challengen, wie wir heute sagen, ist ein wichtiger Teil unserer Arbeit.“

„Banken haben eine Scharnierfunktion“. Kalts Hände formen eine Schwingtüre. Banken sammeln, beispielsweise mit Sparbüchern, Geld in der Gesellschaft ein und stecken dieses in möglichst produktive Anlagen. „Sparen ist ein Grundbedürfnis der Gesellschaft und Banken haben eine Verantwortung gegenüber den Menschen“, sagt Daniel Kalt. Er ist ein geübter Redner, er kennt die Lücken für einen kleinen Lacher und lässt sich auch von Risiken nicht aus seiner Ruhe bringen.
Derzeit findet eine Verdrängung der Globalisierung statt, die sich auch in den politischen Entwicklungen spiegelt. Nationalismus findet vermehrten Zuspruch – das ist in zahlreichen Ländern sichtbar. Es wird auch im Bankenwesen massiv in Prävention investiert. „Es scheint man möchte verhindern, dass jemals wieder eine Finanzkrise entstehen könne. Aber die optimale Anzahl Finanzkrisen in der Gesellschaft ist nicht gleich Null“, erklärt Kalt und erläutert via Metapher: „Wenn wir null Risiko für Samonellenvergiftungen in Restaurants wollen, müssen wir zu Fertigmayonnaise verpflichten. Aber wollen wir das? Es ist auch eine Frage der Möglichkeiten und Einschränkungen. Risikofinanzierungen unmöglich zu machen, würde auch bedeuten Start-Ups von vornherein auszuschliessen.“

An einer Studie von Dan Ariely erläutert Kalt wie Geld die intrinsische (aus dem Menschen selbst entstehende) Motivation stören kann. Ohne Geld funktioniert die Gesellschaft nicht, doch in einem Experiment zeigten Studenten bei einem fingierten Umzugsszenario am stärksten spontane Bereitschaft zu helfen, wenn sie ohne finanzielle Gegenleistung darum gebeten wurden. In drei unterschiedlichen Experimenten waren 80% rein durch Hilfsbereitschaft motiviert, 60% halfen im Tausch gegen einen Marsriegel und für 5 Dollar Lohn wollten nur noch 40% mitanpacken. „Wir sollten unsere Jugend vielleicht in Schokoriegeln bezahlen“, scherzt Daniel Kalt.

Einen ernsten Rat gibt er dem Publikum auch mit in den Abend: „Geld ist nicht alles. Bevor man auf’s Geld schaut, sind Passion und Talent wichtiger.“ Auch Schulen sollten das Finden der eigenen Stärke und Leidenschaft fördern. „Sonst ist ein Lohn irgendwann nur noch Schmerzensgeld.“

Ein Risiko, das ganz klar auf die nächsten Generationen zukommt, ist der demographische Wandel. „Unsere Alterspyramide gleicht eher einem Döner Kebab – eine Form wie eine Urne.“ Wir leben in einer Ära der Negativzinsen, Altersvorsorge bedeutet zunehmend private Vorsorge. Es folgen Zahlen und Formeln, die die steigende Lebenserwartung, die daraus entstehenden Rentenjahre und eben die Döner-Pyramide in Zusammenhang setzen. Fazit ist, „wenn der Umlagesatz nicht angepasst wird, stehlen wir die Pension der nächsten Generation.“

Diese Aussage heizt später noch die Debatte mit dem Publikum an, beschert uns einen Buchtipp zu „Freakonomics“ von Steven Levitt und bringt den Chefökonomen auch nicht aus seiner erprobten Gelassenheit. Er lacht offen und zwinkert kurz ins Publikum. Eben ganz der Familienvater.

Text: Miriam Stepper
Fotos: Raphael Hünerfauth

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