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Ausgezeichnete Initiative

1. April 2007

Der Berner Jugendarbeiter Markus Gander ist zum Social Entrepreneur des Jahres 2006 gewählt worden. Professionell stiftet er mit Infoklick.ch Jugendliche an, sich selber zu helfen. Ein Artikel von Gallus Keel in der Zeitschrift Der Arbeitsmarkt.

Artikel erschienen auf derarbeitsmarkt.ch.


Gewalttätig seien die Jugendlichen immer öfter. Markus Gander mag es nicht mehr hören und lesen. "Wenn schon, dann sollen sie bitte auch die Hintergründe aufzeigen, das Umfeld und die Ursachen." Ein paar Horden und Horrortaten – durchaus sehr übel und ein Anlass zum Hirnen – verstellen den Blick auf das hoffnungsvolle Gros der Tausenden… von Angepassten? Ganz im Gegenteil. Der 42-Jährige erlebt in seinem Alltag laufend, wie initiativ die Jungen sind und wie viel Power sie haben, neue Richtungen zu wagen – sobald man ihnen eine Hand reicht.

Von Moosseedorf ans Meeting der Mächtigen

Die Steckdose als Beispiel erwähnt Gander oft und gern. Sie hat Symbolcharakter. Sie gibt Strom, Power, sie zündet und bewegt etwas. "Oft fehlt den Jungen wirklich nur eine Steckdose, ein Raum, der richtige Kontakt, und schon können sie loslegen und haben bald etwas auf die Beine gestellt", beschreibt Gander seine langjährige Erfahrung. Starthilfe und Hilfe zur Selbsthilfe – das ist der Hauptzweck des von ihm initiierten Vereins Klick, Tipps & Infos. Manche Firma oder Organisation hätte die eingängige Domain INFOKLICK.CH heute gerne, die Berner waren schnell und besetzten den Namen schon Mitte der 90er-Jahre. 30000 Anfragen haben die Jugendförderer über ihr Portal und das Telefon allein letztes Jahr beantwortet, 250 Projekte in 19 Kantonen wurden gefördert und 20 Praktika ermöglicht sowie rund 300000 Stunden Freiwilligenarbeit ausgelöst. 1500-mal pro Tag gehen Jugendliche heute auf INFOKLICK.CH, gar 12000 Besuche sind es, wenn man die verlinkten Seiten hinzuzählt. Zwanzig "Infoklicker" teilen sich heute 1400 Stellenprozente. Die Löhne sind fair, man versteht sich nicht als Bettelorden, marktwirtschaftliches Management hält immer stärker Einzug. Es werden Dienstleistungen entwickelt, die faires Geld abwerfen. Die Kunden sind Gemeinden, Kantone, der Bund, Fachstellen, Caritas, auch Firmen.

Gut die Hälfte der unbürokratischen Jugendförderer arbeitet im Berner Vorort Moosseedorf. Ganz in der Nähe des S-Bahnhofs im Bauch eines funktionell umgestalteten Bauernhauses ist die Schaltzentrale: Kinder- und Jugendförderung Schweiz. "Passepartout" steht am Eingang; eine Einladung. Nur hereinspaziert. An der Türe gross angeschlagen ist selbstverständlich, dass der Hausherr Ende Januar zum Sozialunternehmer 2006 gewählt worden ist.

Die Schwab-Stiftung prämiert in dreissig Ländern jedes Jahr den nationalen Social Entrepreneur, in der Schweiz allerdings erst zum zweiten Mal. 2005 ging er an Robert Roth von der Basler Job Factory. Mitgetragen wird der Preis von der Boston Consulting Group, von Raiffeisen, der Mobiliar und der Wirtschaftszeitung "Cash". Etwas zum Aufstellen wie einen Oscar bekommt der Sieger zwar, auch ein Diplom, Geld jedoch keines. Der wahre Wert des Preises ist, nebst einiger Publizität, dass er den Gewinner zum Erlauchten macht, der ab sofort Zugang hat ins Netzwerk der besten Adressen. Denn das Stifterehepaar Schwab ist eng verbunden mit dem World Economic Forum, dem WEF, das jedes Jahr – mit einigen Nebengeräuschen – in Davos stattfindet. Gander wird dort nächstes Jahr dabei sein und schauen, "ob es auch ohne Krawatte geht", sich unter die Crème der Welt zu mischen.
Auch beim Swiss Economy Forum ist er Gast. Dass eine wirtschaftlich orientierte Stiftung findet, "das ist das beste nationale Sozialunternehmertum, das wir letztes Jahr gefunden haben, das bringt uns natürlich schon etwas", sagt Gander. "Man nimmt uns ernst." Er wird fortan Leute anrufen können, bei denen er gestern höchstens bis zur Sekretärin vorgestossen wäre.

Jugendliche mit Profis vernetzen


Gander führt durch das Haus. Einige von INFOKLICK.CH gesponserte Projekte haben sich hier gleich installiert, so auch www.lehrstellenboerse.ch. Drei Studenten der Uni St.Gallen haben das Portal eröffnet, quasi als Verbesserung der Lena (Lehrstellennachweis der Kantone), wo es immer den Frust gibt, dass die ausgeschriebenen Stellen bereits besetzt sind. Sie entwickelten ein einfaches Tool, mit dem die Firmen ihre Lehrstelleninserate selber bewirtschaften. "Ich habe ganz am Anfang mitgeholfen", erklärt Gander, "und nachdem die Sache letztes Jahr etwas in die Krise geriet, personell und finanziell, mache ich jetzt in ihrem Vorstand mit. Es geht gerade um die strategische Ausrichtung. In Zukunft wird ja die Situation anders sein, es wird mehr Lehrstellen geben als Bewerber. Das ganze Portal muss also quasi umgedreht werden." Wie in diesem Fall ist INFOKLICK.CH auch Gründerzentrum.
Beim Kafi skizziert Gander ein anderes Projekt. Zürich-Affoltern. Jugendliche sehen, da steht ein Bahnhof leer. Sie haben die Idee eines Kulturzentrums und schicken den SBB einen tollen Projektbeschrieb. Die machen cool mit und verlangen 1 Franken Miete. Nur: Es gibt noch Bau- und Hygienevorschriften und Geldmangel. Man gelangt an die Stadt Zürich, zermürbt sich in Sitzungen, bis die Mutter eines Jugendlichen es am Radio vernimmt: INFOKLICK.CH. Gander: "Wir vernetzten die Jugendlichen mit lokalen Profis. Die Architekten und Baumeister bekamen richtig den Plausch und schickten ihre Stifte. Am Schluss hat es null Franken gekostet, alles wurde gespendet. Donnerstag, Freitag und Samstag ist immer Programm – für Jung und Alt und kunterbunt: www.kubaa.ch."
Anlaufstelle für Jugendliche mit Ideen

Für Caritas und unter dem Patronat der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus entwickelte INFOKLICK.CH das Label "Klartext – Jugendkultur gegen Rassismus". Fremdenfeindlichkeit ist nur möglich, solange man sich fremd ist. So wie heute die Schulklassen aussehen, sieht morgen die ganze Gesellschaft aus. Das ist nicht einfach eine Problematik, sondern auch eine Chance. Unter diesen Aspekten wurden in der Deutschschweiz viele Anlässe organisiert, um das multikulturelle Miteinander anzukurbeln. "Wir sind in mehreren Kantonen in der Jugendförderung tätig", zählt Gander ein weiteres Tätigkeitsfeld auf, "für den Kanton Solothurn etwa haben wir sie sozusagen gesamthaft übernommen." Dass manch ein Projekt gegen Konkurrenz gewonnen wird, freut Gander. "Wir sind ein Unternehmen, das am Markt bestehen muss. Wir treten meistens gegen Subventionierte an, Kantonsbehörden, Bundesstellen. Doch wir sind flexibler. Über 80 Prozent des Vereinsbudgets 2007 waren im März schon finanziert. Das ist in einem KMU kaum besser."

Ein grosses Ding der Moosseedorfer soll Juniorexperts werden. Es geht um die Multiplikation der Uridee. "Jugendliche beraten Jugendliche", erklärt Gander, "es wird eine Art Club werden, mit dem die Jugendlichen direkt mit unserem Verein verbunden sind. Diese Juniorexperts bilden wir in Projektmanagement aus, hier bei uns und in Regionalzentren in Basel, in St.Gallen, bald auch in Luzern. "In der Schweiz gibt es über 6000 Beratungsstellen für Kinder und Jugendliche", heisst es im Programmbeschrieb. "Das ist gut so! Ungefähr 15 Prozent aller Kinder und Jugendlichen sind auf Beratung angewiesen. Es gibt aber nur wenige Stellen für Kinder- und Jugendförderung."
Für diese 85 Prozent will Gander eine Bresche schlagen. Anders gesagt: Mit einem Problem findet heute ein Jugendlicher relativ rasch eine Anlaufstelle; wohin aber geht er, wenn er eine gute Idee hat? Eine solche Verschwendung an jugendlichen Ressourcen könne sich eine Gesellschaft nicht leisten, meint Gander. Mit Juniorexperts sollen viele Jugendliche selber zur Anlaufstelle werden für andere Jugendliche. Von Moosseedorf aus wird ein gigantisches Netz über das Land gespannt.

Ebenfalls zum Nulltarif in Moosseedorf eine Heimat gefunden hat Tink.ch – inzwischen das grösste Online-Jugendmagazin der Schweiz und ein Sammelbecken für künftige Journalistinnen und Redaktoren. Ringier ist mit Blick Online wohlweislich bereits Partner und lässt einmal pro Woche das junge Blut für sich schreiben. Das mächtige Portal geht auf die Projektarbeit dreier Handelsschüler zurück und hiess zuerst youthguide.ch. Sie stellten diese Plattform in der Internet-Pionierphase 98/99 als virtuellen Berner Stadtführer ins Netz. "Dafür bekamen sie den Burger-Preis, 10000 Stutz", erklärt Gander die Geschichte. "Nach ihren Praktika wollten sie daraus ein Online-Magazin machen, doch sind sie bei Beratungsstellen und dem Jugendamt nur angebrannt. INFOKLICK.CH nahm das Projekt schlussendlich ins Haus auf, organisierte eine grosse Infoveranstaltung und half bei der ganzen Umstrukturierung. Heute ist es ein Projekt, das mit 120 Leuten acht Lokalredaktionen betreibt und Mitbegründer des Europäischen Jugend-Medienverbands ist. Hunderte von Medienkursen fanden statt, etliche Praktika wurden vermittelt, auch in die professionellen Medien.

Einer, der stottert, wird ein grosser Redner. Es sind jene Märchen, die wahr sind und immer wieder vorkommen. Unsere Kultur ist wesentlich aus Kompensationsleistungen entstanden. Ein Blitzgescheiter mit schulischen Lernschwierigkeiten hat, um Hilfe zu bekommen, gleich www.lernen-mit-spass.ch entwickelt und dieses Portal in drei Jahren zu einer Erfolgsgeschichte gemacht. Webmas-ter zu sein und armer Student wurde ihm aber zu viel. Die Info-klicker zahlen ihm nun eine 20-Prozent-Stelle, damit er seine Gratis-Hausaufgabenhilfe weiterhin selber betreuen kann.

Weniger glamourös ist die Masse der vielen kleinen Hilfestellungen, die INFOKLICK.CH im Stillen leistet. "Wenn ein Jugendlicher, sagen wir mal aus Zuoz, anruft und sagt, er wolle etwas anreissen, dann können wir ihm in der Region innerhalb eines Tages Kontakte vermitteln." Man glaubt es Markus Gander aufs Wort. Er ist ein begnadeter Mischler und Obervernetzer mit vielen Antennen, hat sich aber eine angenehme Gelassenheit bewahrt. Eigentlich hätte er Sekundarlehrer werden wollen, die Studiererei ging aber etwas lange. 1990 begann er als Jugendarbeiter – gleich nebenan in der Reformierten Kirchgemeinde Moosseedorf. Bald wollte ihn auch die politische Gemeinde haben, die mit ihren 3500 Einwohnern die klassischen Agglomerationsprobleme hat: Haben wir in zwanzig Jahren noch eine Feuerwehr oder sterben wir aus? Gander entwickelte das Projekt Jugend Mit Wirkung. Auf der Homepage heisst es: "Jugend Mit Wirkung fördert die Integration von Jugendlichen in die Gesellschaft! Jugendliche verschiedenster Herkunft, beiderlei Geschlechts, unterschiedlichen Alters und differenter Bildung werden mit Jugend Mit Wirkung in Prozesse und Entscheidungen im Gemeinwesen miteinbezogen und befähigt Veränderungen mitzutragen." Jugend Mit Wirkung ist eine Art Kit, mit dem jedes Gemeinwesen wirkungsvoll einen Jugendmitwirkungstag durchführen kann. Nur 2000 bis 5000 Franken sind nötig. Die Eidgenössische Kommission für Jugendfragen bedankte sich für die pfiffige Idee mit einem Preis.

Arbeiten, ohne es zu merken

Jetzt, in den Zeiten der Entrepreneur-Ehren, wird Gander natürlich in den Vordergrund geschubst, sonst ist er eher ein dezenter Boss. Nur im Team ist all das gelungen. "Ich hatte von Anfang an gute Leute um mich. Wichtig war zum Beispiel unser Computer-freak, der Pionierarbeit geleistet hat, als viele von Informatik noch wenig verstanden. Als Trio und nach einem Jahr Bedenkzeit haben sie sich 2001 selbständig gemacht, sie wurden freie Unternehmer und butterten ihr ganzes Pensionskassengeld in das Vorhaben." Dass sich der Freak und Webmaster in eine Spanierin verliebte und sich auf die Iberienhalbinsel absetzte, na ja, jetzt verwaltet er die Seiten von INFOKLICK.CH halt von Madrid aus.

Gander gehört zu den geschätzten zehn Prozent der Bevölkerung, denen es wenig auffällt, dass sie arbeiten, auch wenn sie es zwölf Stunden am Tag tun. "Ich arbeite nicht im Schweisse meines Angesichts, ich begegne lauter interessanten Menschen und tollen Projektpartnern – in ganz Europa. Gerade war ich in Jena. Wie sonst wäre ich je nach Jena gekommen?"



Dateien:
2007-04_Arbeitsmmarkt.pdf   232 Ki

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