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Kinder sollen lernen, mit ihren Defiziten möglichst gut umzugehen

Nach seinem Referat, das die Infoklick.ch-Sommerakademie 2009 eröffnete, nutzten wir die Gelegenheit, dem bekannten Kinderarzt und Sachbuchautor Remo H. Largo einige Fragen zu stellen - das Interview führte Lena Tichy.

 


In Ihrem Referat „Lob der Individualität“ zeigen Sie anhand wissenschaftlicher Erhebungen, dass sich kein Kind gleich entwickelt wie ein anderes. Die Schule, so Ihr Fazit, nimmt darauf zu wenig Rücksicht, was für einige Kinder zur Unter- und für andere zur Überforderung führt. Welche Möglichkeiten hat denn die Schule, um der Individualität von Kindern eher gerecht zu werden?
Wichtig ist, dass wir die Kinder nicht nur auf ein oder zwei Talente reduzieren, sondern erkennen, dass jedes Kind ganz individuelle Fähigkeiten hat, die es entfalten möchte. In einer Schule aber, die vor allem die sprachlichen und mathematischen Fähigkeiten sehr hoch bewertet, hat ein Kind, das weder das Eine noch das Andere gut kann, schon fast verloren. Meiner Meinung nach sollten Fächer wie Sport, Werken und Musik in den Stundenplänen viel mehr Platz einnehmen, damit sportlich, handwerklich oder musisch begabte Kinder ihre Stärken zeigen können. Stattdessen aber versuchen die Schulen und Eltern, jene Kinder, die im Deutschunterricht oder in Physik nicht mitkommen, um jeden Preis in diesen Fächern zu fördern. Dies ist nicht nur frustrierend für die Kinder, sondern auch nicht sinnvoll. Defizite lassen sich nicht beheben. Das Kind soll vielmehr lernen, damit möglichst gut umzugehen.

Dies ist etwas, was viele Eltern kaum akzeptieren können.
Leider ja. Dabei wäre es so einfach: Anstatt sich auf die Defizite ihrer Kinder zu konzentrieren sollten Eltern versuchen herauszufinden, was ihre Kinder gerne machen, welche Stärken sie haben. Dann kommen die Lernerfolge fast von allein.

Sie haben in Ihrem Referat ja nicht nur das Leistungsdenken vieler Eltern kritisiert, sondern auch die Leichtfertigkeit, mit der seit einigen Jahren die Amphetamin-ähnliche Substanz Ritalin verschrieben wird. Was genau beunruhigt Sie daran?
Aus meiner Sicht ist die kindliche Hyperaktivität, welche zu oft mit Ritalin behandelt, schlicht eine Folge von ungenügenden Bewegungsmöglichkeiten, gerade bei Buben im frühen Schulalter. Ich glaube nicht, dass so viele unserer Kinder zu nervös sind, sondern ich denke, dass ein Grossteil einfach zu wenig Zeit in der Natur oder generell an der frischen Luft verbringt. Ein Prozent aller Kinder in der Schweiz mag tatsächlich an einer Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) leiden und von Ritalin profitieren. Die meisten bewegungsaktiven Kinder allerdings haben dieses Medikament aus meiner Sicht wirklich nicht nötig.

Im März diesen Jahres ist ihr Buch „Schülerjahre“ erschienen, das Sie zusammen mit dem Journalisten Martin Beglinger verfasst haben. In Anbetracht der Tatsache, dass sich das Werk seither weit oben auf der Bestsellerliste befindet, würde mich interessieren: Welche Rückmeldungen haben Sie seither bekommen?
Um wirklich Bilanz zu ziehen ist es natürlich noch viel zu früh, aber „Schülerjahre“ ist zweifellos auf viel Resonanz gestossen und zwar sowohl positive wie auch negative. Schön finde ich, dass die Thesen im Buch, welche die Kinder selbst betreffen, von den meisten Leserinnen und Lesern akzeptiert werden. Offenbar besteht ein Konsens darüber, wie sich Kinder entwickeln und was sie brauchen. Sobald es aber um die Frage geht, wie wir das in der Familie und Schule umsetzen wollen, gehen die Meinungen extrem auseinander. Ein Teil der Fachleute sagte mir, dass sie mit den Lösungsvorschlägen im Buch völlig einverstanden sind, ja dass sie diese Ideen an ihrer Schule bereits integriert haben, ein anderer Teil behauptete, dass unsere Vorschläge nicht umsetzbar sind.

>> Mehr Infos zum Buch von Remo H. Largo und Martin Beglinger: "Schülerjahre"

>> Zum Artikel über das Referat: "Das Kind gehört nur sich selbst"

>> Download der Präsentation als PDF

 

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