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Alles Definitionsfrage

Wie wird Normalität statistisch definiert und welche Konsequenzen ergeben sich daraus? Mit diesen Fragen setzt sich der Strafrechtler und Rechtsphilosoph Marcel Niggli auseinander und erklärt im Referat an der Sommerakademie, wie wichtig es ist, Zahlen zu hinterfragen.

„Das Problem sind nicht die Normen, sondern wie wir sie definieren.“ Marcel Niggli eröffnet mit starken Worten, die auch gleich den Leitfaden seines Referats an der Sommerakademie vorgeben. Niggli will in seinem Vortrag nämlich darauf eingehen, was das Definieren für Auswirkungen hat. „Wir leben in einer vermessenen Welt, die vorgibt, was Norm ist und was nicht“, sagt er. Völlig durchschnittlich zu sein, sei das Ziel. „Doch wie kommen wir darauf, was der Durchschnitt ist?“, will er wissen.

Die statistische Sicht auf die Welt habe mit dem Zählen angefangen, erzählt Niggli. Dinge, die gleich oder ähnlich sind, seien verglichen worden und daraus habe sich der heute geltende Standard entwickelt: Je häufiger ein Verhaltensmuster vorkommt, desto normaler. „Weil das ja alle so machen, oder zumindest sehr viele“, sagt Niggli. Problematisch sei nur die Schlussfolgerung: „Wer oder was von dieser Norm abweicht, ist nicht normal und sozial gebrandmarkt.“

Normal ist nicht erinnerungswürdig
Man merkt, dass Niggli selbst viel Mühe mit diesen Schubladisierungen hat. So betont er mehrmals, dass doch alles Wertvolle sich gar nicht quantifizieren liesse und man beispielsweise nicht vergleichen könne, welche ehemalige Beziehung wie gut war. Als anderes Beispiel erwähnt er den Alltag: „Wir alle erleben hunderte Tage im Jahr, von denen wir nicht mehr wissen, was wir gemacht haben.“ Wir hätten sie nicht gelebt, aber dafür normal verbracht.

Während die Statistik sich nur mit dem Analysieren und Vergleichen beschäftigt, versucht die Stochastik, Prognosen über zukünftiges Verhalten zu machen. Dabei müssten zwei Punkte beachtet werden: Was sind die relevanten Indikatoren? Was sind die Kriterien? Meist wisse man nämlich gar nicht, was man überhaupt misst, betont Niggli. Oft würden Statistiken durch Kriterien verzerrt, gäben ein falsches Bild wieder oder man wisse gar nicht, was überhaupt herausgefunden wurde. Hier fällt das Stichwort Signifikanz, das nur umschreibt, wie wahrscheinlich ein Zusammenhang bloss reiner Zufall ist. Um dies zu verbildlichen, zeigt Niggli einige Beispiele auf, die mit dem Verhalten von Jugendlichen in Verbindung stehen.

Erwachsenen-Normen gelten für Kinder nicht
„Jugendliche werden immer braver“, so der Referent. Sie würden weniger Alkohol trinken, weniger Straftaten begehen, kämen erst später mit Pornos in Kontakt. Kurz: „Sie entsprechen immer mehr der Norm.“ Dabei sollten gerade Jugendliche nicht wie junge Erwachsene behandelt werden: „Kinder und Jugendliche sind Genies, die auf dem Weg sind, Idioten zu werden.“ Man solle sie davor noch etwas bewahren und das Jugendliche in ihnen bewahren, also das Abnormale gutheissen. Nigglis Schlusswort regt nochmals zum Nachdenken an: „Dass Jugendliche so normal werden, sollte uns besorgen. Denn das bedeutet, dass sie Angst haben.“

 

Die Powerpoint-Präsentation von Marcel Nigglis Referat kann hier heruntergeladen werden.

Text Sonja Gambon, Bilder Raphael Hünerfauth

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