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Yes, we can

5. Dezember 2008

Ansprache von Frau Bundeskanzlerin Corina Casanova anlässlich der Jugendsession 2008, 23. November 2008, Parlamentsgebäude, Bern

Sehr geehrte Parlamentarierinnen und Parlamentarier

 

Ich freue mich sehr und erachte es als ein besonderes Privileg, Sie zum Abschluss und Höhepunkt Ihrer Session hier in diesem Saal begrüssen zu dürfen.

 

Es ist ein gutes Gefühl, so viel geballte Zukunft vor sich zu sehen. Sie sind es ja, die die Zukunft unseres Landes repräsentieren, und es ist genau das, was Ihrer Arbeit und Ihrem Einsatz besondere Würde und Bedeutung gibt.

 

Für uns alle, für Sie aber wohl ganz besonders, waren die vergangenen Wochen ein faszinierendes Erlebnis dessen, was Politik und politisch engagierte Menschen leisten und verändern können. Sie wissen sofort: Ich meine die Präsidentschaftswahlen in den USA. Unter dem Einfluss einer Politik, welche die Frankfurter Allgemeine Zeitung vor einigen Wochen als eine Multiplikation von allem mit Null umschrieben hat, ist Amerika trotz seiner gewaltigen Stärke ins Abseits gedriftet, es hat unglaublich an Selbstvertrauen und an Vertrauen in der Staatengemeinschaft verloren und hat der Welt eindrücklich gezeigt, wie ohnmächtig Macht sein kann.

 

Und da hat es einer mit seinen Leuten geschafft, innert kürzester Zeit diese düstere, von Lethargie überschattete Szenerie zu wandeln. Aufgrund solider Analyse hat er grundsätzlichen Wandel gefordert. Statt Macht zu demonstrieren, bietet er Dialog an, und mit seinem ,Yes, we can" hat er seinen Landsleuten Mut und Vertrauen in die eigene Kraft gegeben. Am Tag nach der Wahl schien auch die Welt wie verwandelt. Man war sich einig, ein Volk, das zu einer solchen Wahl, zu einem so entscheidenden Schritt fähig ist, verdient Vertrauen. Professor Georg Kohler hat es in einem Satz auf den Punkt gebracht: ,Amerika hat sich neu erfunden". Und das ,Yes, we can", dieses Vertrauen in sich selbst, hat weltweit angesteckt. Auch uns. Es ist in aller Munde und es ist kein Zufall, dass alle, die mit dem Zug in den Zürcher Hauptbahnhof einfahren, es in grossen Lettern lesen können.

 

Warum sage ich Ihnen das? Ich glaube, dass in diesem Wahlkampf und in dieser Wahl deutlich geworden ist, worauf es in der Politik ankommt und was eine einzelne Person selbst in aussichtslos erscheinender Position zu leisten vermag.

 

Und was ist das nun, worauf es ankommt?

 

Erstens: Wer in der Politik tätig und wirksam sein will, muss zuallererst das Leben lieben, muss eine tiefe Vorstellung davon haben, was Leben ist, und muss sich in all seinem Tun vom Willen leiten lassen, dem Leben Raum zur Entfaltung zu schaffen.

 

Zweitens: Das können Sie erst, wenn Sie selber das Leben in harter Knochenarbeit in all seinen Bedingungen und Erscheinungsformen kennen lernen und versuchen, es zu verstehen.

 

Drittens: Es ist auch immer nötig, aus dem Alltagsgeschäft herauszutreten, um die eigentlichen Bedürfnisse der Leute und der Gesellschaft zu erspüren und sich auf die grundlegenden Werte zu besinnen, die unser politisches Handeln leiten und uns für andere berechenbar machen.

 

Politikerinnen und Politiker müssen die besten Kräfte der Menschen ansprechen und mobilisieren, sie müssen sie bündeln und Ansatzpunkte zu positiver Gestaltung des staatlichen und gesellschaftlichen Lebens schaffen. Mit ewig repetiertem Nein und mit Schlechtmachen des politischen Gegners ist so etwas nicht möglich. Eine solche Taktik ist endgültig zum Ladenhüter des politischen Geschäfts geworden.

 

Noch ein Letztes: Wer heute auf eine Vision hin etwas in Bewegung setzen will, braucht viel Talent, Organisationsgeschick, Ausstrahlungskraft und Hilfe. Aber all dies genügt nicht. Denn der Weg zu einer Vision ist nie einfach, sondern geht durch neues, nicht vertrautes Land, d.h. er führt auch durch Unsicherheit. Und zu solchen Schritten kann die Menschen nur bewegen, wer ihr Vertrauen hat. Vertrauen kann man sich aber nicht mit Sachkenntnis, Arbeit oder Geld erwerben. Für Vertrauen gibt es nur eine Währung, und die heisst Integrität.

 

Warum sind Sie eingeladen worden, hier im Nationalratssaal zu tagen?

 

Sie alle sind politisch engagiert, und Sie sind es, die einmal von hier oder einem kantonalen oder kommunalen Parlament aus das Leben unserer Gesellschaft gestalten werden. In der unmittelbaren Berührung mit diesem ehrwürdigen Ort, der in seiner bereits ordentlich langen Geschichte zwar ständig etwas gewandelt und modernisiert worden ist, soll Ihnen deutlich werden, wie wichtig Kontinuität in der direkten Demokratie ist. Dieser Saal ist kein Ort der Revolution, sondern vielmehr ein Ort, wo die Distanz vom Sein zum Sollen in behutsamen kleinen, aber kontinuierlichen Schritten überwunden wird. Wer als Politiker oder Politikerin verkennt, dass in einer direkten Demokratie diese Schritte nicht zu gross sein dürfen, wird viele seiner guten Ideen scheitern sehen.

 

Aber Sie tagen nicht in erster Linie hier, um zu erfahren, welche Bedeutung Kontinuität hat. Eine Überbetonung der Kontinuität schläfert ein. Sie würde uns dazu verführen, uns in die Gewohnheiten des Alltags einzulullen und uns allem Neuen zu verschliessen, bis wir eines Tages plötzlich aufwachen, um mit Schrecken festzustellen, dass die Welt rund um uns sich gewandelt hat und wir fremd in ihr sind.

 

Sie sind hier, um vor allem geistige Beweglichkeit und Unruhe in diesen Saal zu tragen. Wer mitten im politischen Geschäft drin steckt, gerät leicht in Gefahr, die Dinge nur noch unter einer vertrauten Perspektive zu betrachten. Der Pilatus sieht nun aber von Luzern total anders aus als etwa von Alpnach. Und so sehen Sie politische Probleme unter Umständen ganz anders als die bestandenen Politikerinnen und Politiker. Und genau diesen anderen Blick erwarten wir von Ihnen. Er soll uns in unserer Sicherheit verunsichern, er soll uns in der schwierigen Arbeit, dem Wandel in der Welt gerecht zu werden, unterstützen, kurz: Sie sollen für Politikerinnen und Politiker eine geistige Herausforderung sein, die sie fit hält.

 

Als Bundeskanzlerin, die unter anderem für die Herausgabe der Gesetze und Verordnungen in den Amtssprachen und für eine verständliche, bürgernahe Gesetzes- und Verwaltungssprache zuständig ist, möchte ich Ihnen, den künftigen Parlamentarierinnen und Parlamentariern, zwei Anliegen nahe bringen:

 

Das erste ist die Verständlichkeit unseres Rechts. Wir leben in einer Referendumsdemokratie. Über ein Gesetz abstimmen heisst, es unterschreiben. Und es würde niemandem einfallen - oder es sollte niemandem passieren - etwas zu unterschreiben, das sie oder er nicht versteht. Nur wer seine Pflichten kennt, kann sie erfüllen, und nur wer weiss, welche Rechte ihm zustehen, ist auch bereit, für sie einzustehen und für sie zu kämpfen. Recht lebt nur dann wirklich, und Rechtsüberzeugung kann nur dann entstehen und wachsen, wenn das Recht verständlich und überschaubar ist. Diese Wahrheit wird in der Hektik des administrativen und politischen Alltagsgeschäfts nur zu oft vergessen. Deshalb ist es mir ein Anliegen, sie Ihnen ans Herz zu legen.

 

Mein zweites Anliegen ist Folgendes: Das Recht, das sie einmal in diesem Saal schaffen werden, gilt für vier Sprach- und Kulturgemeinschaften. Diese Gemeinschaften sind wie Persönlichkeiten, die das Leben je anders erleben und es aufgrund ihrer Erfahrungen auch je anders gestalten wollen. Trotzdem, trotz ihrer unterschiedlichen Kulturen und trotz ihrer sehr unterschiedlichen Grösse haben sie sich einmal entschlossen, den Weg in einem Staat gemeinsam zu gehen. Das geht nur so lange gut, als diese Gemeinschaften sich alle ohne Ausnahme als Partner auf gleicher Augenhöhe empfinden, die sich gegenseitig voll und ganz respektieren.

 

Dazu muss auch das Recht, das Sie einmal schaffen werden, beitragen. Es darf keine Gefälle entstehen lassen, die dazu führen, dass eine Sprachgemeinschaft sich nicht voll respektiert fühlt. Auf diesen Grundsatz möchte ich Sie heute, da Sie sich in der Gestaltung dieses Landes üben, ganz besonders hinweisen. Dieser Grundsatz muss auch gegenüber den Menschen anderer Sprachen und Kulturen in diesem Land gelten. Sie sind für uns von vitaler Bedeutung, und wir müssen im eigenen Interesse alles tun, damit sie ihre besten Kräfte in ihre neue Heimat - hier - investieren.

 

Jetzt aber möchte ich mich Ihrer aktuellen Arbeit zuwenden und möchte Ihnen zuallererst sagen, dass Ihre Themen mich sehr gefreut und beeindruckt haben. Schon allein dadurch, dass Sie die Neutralität ins Zentrum Ihrer Session rücken, wird deutlich, dass Sie den Mut und das Bedürfnis haben, sich auch mit Themen zu befassen, die schon fast in die Unantastbarkeit von Mythen gerückt sind. Mythen entstehen dann, wenn in einer Gesellschaft eine Art stillschweigende Übereinkunft besteht, Fakten der Geschichte nicht immer wieder in neuem Licht und mit aller objektiven Sorgfalt aufzuarbeiten, um daraus für die Gegenwart zu lernen, oder wenn eine Gesellschaft sich scheut, einen tiefgreifenden Wandel der Verhältnisse zur Kenntnis zu nehmen, sich dem Wandel zu stellen, weil sich daraus ein Druck ergeben könnte, Schritte ins Neue, ins Offene zu wagen. Sie haben sich dafür entschieden, auch Heiligtümer aus ihrer Unantastbarkeit herauszunehmen und sie kritischem Nachdenken auszusetzen. Das ist für mich ein Zeichen von Vitalität.

 

Ihr zweites Thema, der Wert der Arbeit, ist nicht minder spannend. Mit dieser Beschreibung des Themas geben Sie an, dass für Sie Arbeit nicht nur einen Geldwert hat, und rücken ins Zentrum, dass jede und jeder die Möglichkeit haben sollte, entsprechend den eigenen Kräften sein leben zu gestalten, Verantwortung wahrzunehmen und zum Wohl der Allgemeinheit beizutragen. Daraus heraus wachsen Selbstwertgefühl und Lebenszuversicht und daraus heraus ergeben sich immer wieder neue sinnstiftende Perspektiven. Diesen hohen Wert der Arbeit dürfen wir bei aller Wichtigkeit ihres Geldwertes nicht unterschätzen. Es muss uns deshalb zu denken geben, wenn bei sinkender Nachfrage nach Arbeitskräften oder bei einem Rückgang der Konjunktur die Zahl der Invaliden regelmässig stark ansteigt und die Bereitschaft, jungen Menschen Lehrstellen anzubieten, sinkt. Diesen Fakten liegt eine Haltung zugrunde, die nicht wahrhaben will, dass eine Verkennung des umfassenden Wertes der Arbeit geringschätzend und demotivierend wirkt. Ich gratuliere Ihnen deshalb auch zur Wahl dieses Themas und bin Ihnen im Namen unserer Gesellschaft dankbar für Ihren Mut, auch dieses heisse Eisen anzufassen. Ich hoffe sehr, dass die Gesellschaft sich intensiv mit den Ergebnissen Ihrer Arbeit auseinandersetzen wird.

 

Und damit will ich schliessen, damit Sie diese Ergebnisse, auf die wir alle sehr gespannt sind, nun darlegen und erläutern können. Ich danke Ihnen persönlich und im Namen des Bundesrates für Ihren grossen Einsatz, den Sie in dieser Session geleistet haben, und für all das, was Sie künftig zur lebensvollen politischen Auseinandersetzung und zur politischen Kultur unseres Landes beitragen werden.



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