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Das Kind gehört nur sich selbst

In seinem Referat mit dem Titel „Lob der Individualität“ plädierte der bekannte Kinderarzt und Sachbuchautor Remo H. Largo für ein Schulwesen, das die Einzigartigkeit jedes Kindes fördert, anstatt sie zu problematisieren. Er eröffnete damit den 2. Kongress für Kinder- und Jugendförderung in Engelberg und sorgte damit gleich zu Beginn für eine angeregte Diskussion.

 


Unkonzentriert, faul, langsam. Dies sind nur einige der Urteile, die Eltern oder Lehrer zum Teil über Kinder fällen. Dass es aber nicht immer die Kinder sind, die sich ändern müssen, sondern dass zum Teil auch unsere Wahrnehmung falsch ist, dies ist die Schlussfolgerung des Kinderarztes Remo Largo. In seinem Referat „Lob der Individualität“ zeigte er am ersten Tag der Sommerakademie 2009 eindrücklich, wie gross die Entwicklungsunterschiede bei gesunden Kindern zum Teil sind. So ist ein Kind, das zum Beispiel mit neun Jahren noch nicht richtig lesen kann keineswegs weniger intelligent als eines, das schon vor der Einschulung lesen konnte: Das erste Kind braucht einfach mehr Zeit und hat wahrscheinlich andere Stärken als das schnelle Erfassen von geschriebener Information. Die Eltern und Lehrpersonen, so Largo, müssen dies akzeptieren, anstatt die Kinder ständig miteinander zu vergleichen. Häufig passiert jedoch genau das Gegenteil. Kinder, die sich nicht streng nach dem gesellschaftlichen Massstab entwickeln und in der Schule nicht leisten können, was verlangt wird, erhalten oft umgehend spezielle Förderung, um die vermeintlichen Defizite aufzuholen. „60 Prozent aller Kinder im Kanton Zürich haben bei ihrer Einschulung bereits irgendeine unterstützende Massnahme erhalten“, sagt Largo, und fügt gleich an, dass dies kaum an den Kindern selbst liegen könne, sondern in diesem Fall die Erwachsenen Probleme sehen, wo eigentlich gar keine seien.

Extreme Unterschiede in der persönlichen Entwicklung
Largo lieferte in seinem Referat mehrere Beispiele dafür, dass sich Kinder sehr unterschiedlich entwickeln können. Anhand einer Langzeitstudie, bei der Largo mit seinem Team 800 gesunde Kinder über mehrere Generationen hinweg beobachtete, zeigte er, dass grosse Unterschiede beim Schlaf- und Essverhalten wie auch bei der Sprachentwicklung äusserst normal sind. „Bereits Babys sind komplett individuelle Wesen“, so Largo, und es sei daher zwecklos, wenn die Eltern bestimmen möchten, wie lange ihr Baby schlafen oder wie viel es essen soll.

Ebenso gibt es bei der motorischen Geschicklichkeit extreme Unterschiede: Einige Kinder sind mit 7 Jahren bereits so  geschickt wie andere mit 15 Jahren. Auch dies sei kein Grund zur Sorge, sondern sollte von den Eltern akzeptiert werden, so Largo. Fast allen Kindern gemein ist jedoch die Tatsache, dass sie körperlich dann am aktivsten sind, wenn sie eingeschult werden, also zwischen sechs und sieben Jahren. Eine Tragödie, wenn man bedenkt, dass in den  meisten Schulen nach wie vor eine Pflicht zum Stillsitzen besteht und eine Lektion normalerweise 45 Minuten dauert.

Jedes Kind hat sein eigenes Tempo
Largo, der im März dieses Jahres zusammen mit dem Journalisten Martin Beglinger den Besteller „Schülerjahre“ veröffentlichte, plädierte für eine Schule, welche „die Kinder dort abholt, wo sie stehen.“ Einerseits dürfen nicht nur mathematische und sprachliche Leistungen zählen, andererseits müsse man auch anerkennen, dass kein Kind, keine Jugendliche und kein Jugendlicher gleich sei. Und obwohl man davon ausgehen kann, dass Kinder gerne lernen, liegt es nicht in der Macht der Lehrpersonen zu bestimmen, was die Kinder lernen.

„Was wir als Tatsache zur Kenntnis nehmen sollten ist, dass wir sehr verschieden sind. Wenn wir das verdrängen, leidet ein erheblicher Prozentsatz der Kinder und Erwachsenen.“ Das Fazit, das der renommierte Kinder- und Jugendarzt Remo Largo aus seinen zahlreichen Studien zieht, ist klar: Jedes Kind entwickelt sich in seinem eigenen Tempo, dies ist weder problematisch noch können die Eltern und Lehrer dies irgendwie beeinflussen. Das Beste, was die Eltern und die Schule tun können, ist, die individuelle Entwicklung jedes Kindes zu respektieren und es in seinen Talenten zu bestärken.

 

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>> Weiter zum Interview mit Prof. Dr. Remo H. Largo

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