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Über Umwege zum Ziel

Der renommierte Soziologe Prof. Dr. Ueli Mäder von der Universität Basel sprach in seinem Referat „Gratwanderung: Jeder Schritt ist ein Schritt“ über die Herausforderungen junger Menschen zeigte auf witzige und eindrückliche Weise, dass Vorbilder ebenso wichtig sind wie Konflikte.

Am Anfang des Referats stand das Bild eines schmalen Berggrats, links und rechts davon war ein tiefer Abgrund zu sehen. Ueli Mäder stieg direkt in das Thema seines Vortrags ein und gab zu bedenken, dass sich gerade junge Menschen auf einer steten Gratwanderung befänden, und dabei nicht immer die Hilfe oder Unterstützung erhalten, die sie brauchen. Wie wichtig diese Unterstützung in Krisensituation mitunter sein kann, zeigte Mäder am Beispiel einer kürzlich abgeschlossenen Studie zu Verdingkindern in der Schweiz. In dieser vom Schweizerischen Nationalfonds geförderten Studie, an der auch Mäder mitgearbeitet hatte, kamen betroffene ehemalige Verdingkinder zu Wort. Viele von ihnen erlebten auf den Bauernhöfen massive körperliche Misshandlungen, aber auch ständige psychische Gewalt. „Es erstaunt wenig, dass über alle Betroffenen hinweg eine erhöhte Suizidrate festgestellt wurde“, so Mäder. Zugleich gibt es einzelne ehemalige Verdingkinder, die trotz allen Widerständen ihren Weg gingen und sich ein besseres Leben erkämpften. Sie erzählten in vielen Fällen von Menschen, die sich auf ihre Seite gestellt hatten, die ihnen das Gefühl gegeben hatten, dass sie wertvoll waren. „Diese Begegnungen, auch wenn sie nur kurz dauerten, wurden für diese jungen Kinder im Rückblick zu Schlüsselerlebnissen, die ihnen halfen, ihre traumatischen Erfahrungen besser zu bewältigen“, erklärte Mäder.

 

„Täglich 14 Konflikte“

Die Gespräche mit ehemaligen Verdingkindern hatten gezeigt, dass bereits eine beherzte Tat einer Bezugsperson einem Kind viel Mut machen kann. Doch für Mäder war die damit die Frage „Was hilft, um eine Gratwanderung gut zu überstehen?“ noch nicht beantwortet. Jede Gratwanderung erfordere von uns Ehrlichkeit, doch gerade daran mangele es unserer Gesellschaft, sagte Mäder. Anhand des Beispiels von Bundesrat Hans-Rudolf Merz verdeutlichte der Soziologe diesen Punkt. Merz war kurz nach seinem Herzinfarkt in der Polit-Sendung „Arena“ aufgetreten und hatte behauptet, er sei noch nie so gesund gewesen. „Dieser Auftritt suggeriert, dass ein Problem wie ein Herzinfarkt nichts mit uns zu tun hat, dass es sich dabei nur um eine Störung unseres Körpers handelt. Es ist interessant, dass wir die Finanzkrise ebenso wahrgenommen haben: Also Störung unserer Märkte, ganz unabhängig von uns.“ Das Verhalten von Bundesrat Merz hatte für Mäder jedoch noch einen weiteren wichtigen Aspekt: Egal wie schlimm es um jemanden steht, die Gesellschaft fordere offenbar immer, dass die Fassade gewahrt werde. Mäder, der seinen Vortrag mit vielen Bildern illustrierte und lebhaft gestikulierte, präsentierte das Bild eines heftigen Gewitters und bemerkte trocken: „Wir alle haben doch täglich ungefähr 14 Konflikte.“ Einerseits, so Mäder, sei die Luft nie so rein wie nach einem Gewitter, doch gleichzeitig müssten wir auch immer nach alternativen Lösungswegen suchen. Er wies darauf hin, dass es wichtig sei, eine Balance zu finden und Konflikte im Hinblick auf einen Konsens zu lösen. Erwachsene sollen dabei den Jugendlichen und Kindern als Vorbild dienen, indem sie ihre Handlungen reflektieren und authentisch sind in ihrem Verhalten. Die Gesellschaft müsse lernen, dass es in Ordnung sei, Fehler zu machen. „Es gibt eine Kunst des Scheiterns, die wir unbedingt wieder lernen müssen.“, so Mäder. Sein Referat beendete der Soziologe mit einem ungewöhnlichen Buchtipp: „Die Entdeckung der Langsamkeit“ von Sten Nadolny. „Ich empfehle dieses Buch hier, weil es mir selbst schon öfters geschenkt wurde“, bemerkte Mäder lachend. Dieses Bekenntnis zur eigenen Ungeduld machte den Referenten für das Publikum umso sympathischer, zugleich war das Buch ein guter Übergang zu Mäders letztem Gedanken: Gratwanderungen können wir nur überstehen, wenn wir uns nicht hetzen lassen und auch mal einen Umweg wagen. Wenn wir schnell unterwegs seien, so Mäder, sähen wir oft nur noch das, was direkt vor uns sei. Etwas poetischer gesagt: „Wenn unser Blick auf das Nahe fokussiert ist, ist es manchmal nötig, in die Sterne zu gucken.“

 

 

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