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DENN SIE KÖNNEN NICHTS DAFÜR

Jugendliche trinken zu viel Alkohol oder engagieren sich in gemeinnützigen Vereinen, Jugendliche verprügeln Senioren oder setzen sich für Menschenrechte ein. Diese Gegensätzlichkeit beschreibt Dr. Lutz Jäncke als Hauptmerkmal der Jugendlichen. Doch inwiefern lässt sich diese Eigenschaft mit dem Gehirn erklären? In seinem Referat zu „Das plastische Hirn von Heranwachsenden“ zeigt der Neuropsychologe der Universität Zürich auf, dass die Jugendlichen im Grunde genommen eigentlich gar nichts dafür können.

Vernunft gegen Versuchung: genau hier liegt laut Prof. Dr. rer. nat. Jäncke das Kernproblem der Menschen. „Wir können uns – im Gegensatz zu all anderen Lebewesen – gegen unmittelbare Belohnungen entscheiden und verzögerte Belohnungen anstreben.“ Dies veranschaulicht das Paradebeispiel Studium: Statt sofort Geld zu verdienen wälzen junge Menschen über mehrere Jahre Bücher und besuchen Vorlesungen – dies mit dem Ziel, zu einem späteren Zeitpunkt mehr Geld zu verdienen als ohne Studienabschluss.

 

Alles Kopfsache?

Verantwortlich dafür ist der sogenannte Frontalkortex, das Stirnhirn. Es macht rund 40% des gesamten Hirnvolumens aus und ist Zentrum grundlegender Eigenschaften wie der Selbstkontrolle, Motivation, Emotionskontrolle und Aufmerksamkeit. Auch wenn das Stirnhirn nur rund 2% des Körpergewichts eines Menschen umfasst, so benötige es dennoch unverhältnismässig viel Energie. Dies weist auf die Komplexität des Hirnes hin. Das menschliche Gehirn verfügt über eine enorme Plastizität, das heisst die Fähigkeiten, zu lernen und sich anzupassen. Dieser Lernprozess basiert auf einer Koppelung von Informationen mit Erfahrungen.

 

Auch wenn es häufig heisst, Intelligenz sei vererbbar, so spielen die Gene im menschlichen Gehirn eine sehr kleine Rolle. Prinzipiell könne jeder Mensch alle Sprachen der Welt lernen, sofern er genügend Zeit zur Verfügung habe. Und: „Jede Form von Expertise führt zu einer anatomischen Veränderung im Hirn.“ Das Üben – abhängig von der Häufigkeit – sei dabei grundlegend. Beim anatomischen Entwicklungsverlauf eines menschlichen Gehirns komme es zu immer mehr Vernetzungen, das Hirn wachse. Jedoch nicht ohne Ende: bei Mädchen im Alter von 11 und bei Knaben im Alter von 12,5 Jahren kommt es zu einem Wendepunkt. Hier nimmt das Gehirnvolumenwachstum wieder ab, eine Periode also, in welcher bei Jugendlichen der Reifungsprozess in vollem Gange sei.

 

Selbstdisziplin vs. Intelligenz

Das Impulskontrollsystem ist bei Jugendlichen demnach noch nicht vollständig entwickelt, der Frontkortex noch nicht ausgereift: Ein Grund, weshalb Jugendliche der permanenten Gefahr ausgesetzt sind, Süchte zu entwickeln. „Es ist deshalb die Aufgabe der Erwachsenen, diesen fehlenden Frontkortex zu ersetzen, Rahmen und Grenzen zu setzen – kurz: zu erziehen“, so der Neuropsychologe.

 

Dr. Jäncke geht auch auf das Problem mit der digitalen Welt ein. Je mehr sich ein Jugendlicher in der virtuellen Welt zu befinden glaube, desto weniger aktiv sei der Frontkortex. Das heisst, die Reize können nicht gegenkontrolliert werden. Auch das moderne Konzept des Multitaskings sei nicht fördernd für das Gehirn. Je mehr Ablenkungsreizen ein Mensch ausgesetzt sei, desto schlechter und langsamer seien seine Leistungen. „Unsere Welt ist voll von irrelevanten Reizen, die uns ablenken“, so Dr. Jäncke. Eine geringe Selbstdisziplin im Kindesalter könne deshalb zu Süchten, Kriminalität oder schlechter körperlicher Verfassung führen.

 

Rolle der Erwachsenen

Was also sollen die Erwachsenen im Hinblick auf die Erziehung tun? „Das Wichtigste“, sagt Dr. Jäncke, „ist die Vorbildfunktion.“ Das Gedächtnis spezialisiere sich auf das Imitieren, die Erziehung beginne deshalb mit dem Vormachen. Auch, dass für die intellektuellen Leistungen die Erfahrungen wichtig seien und nicht etwa die Gene, dürfe nicht vergessen werden. Zudem reife das Hirn beim Menschen zuletzt. „Deshalb sind Kinder so, wie sie sind. Und deshalb müssen wir sie so nehmen, wie sie sind.“

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