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"Dürfen die Medien hauen und stechen"

Wie aufdringlich dürfen Medienschaffende bei der Recherche sein? Wie provokativ darf eine Formulierung sein, bevor sie zur Verleumdung wird? Der Referent an der Sommerakademie 2014 entscheidet mit, wo die ethischen Grenzen in der Schweizer Medienlandschaft liegen: Prof. Dr. Roger Blum ist Präsident der Unabhängigen Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen (UBI).

Text: Katharina Good, Fotos: Daniel Barnbeck

Grundsätzlich gilt die Meinungsfreiheit. Jeder und jede darf sich frei äussern und seine Ansicht kundtun – dies gilt insbesondere für journalistische Berichterstattung. Natürlich soll diese Freiheit eingegrenzt werden – etwa bei rassistischen oder verletzenden Äusserungen. Der „Wertebamoremter“, wann die Meinungsfreiheit gegen andere Grundrechte verstösst, lässt sich nicht in einem Gesetzbuch festschreiben. Er wird von Fall zu Fall neu verhandelt.

Berichterstattung über Tierversuche
Besonders intensiv werde der Wertediskurs von Tierschutzorganisationen geführt, erklärt der emeritierte Professor Roger Blum. Auf der Webseite UBI, auf der alle ethischen Auseinandersetzungen mit Radio- und Fernsehbeiträgen dokumentiert sind, findet man unter anderem diesen Fall: Am 23. April 2013 diskutierte der „Treffpunkt“ auf Radio SRF 1 über Tierversuche in der Medikamentenforschung. Mehrere Personen legten Beschwerde ein – der Beitrag sei „eine gut getarnte Propagandasendung für die Pharmaindustrie gewesen“. Nach der Beratung, die übrigens öffentlich abgehalten wird, wies der unabhängige Rat die Beschwerde zurück. Im Beitrag seien verschiedene Aspekte kontrovers diskutiert worden. Solange alle relevanten Seiten angehört würden, könne die Redaktion entscheiden, welche Aspekte sie ausliesse. Im Zweifelsfall gilt die Meinungsfreiheit.

Alle können eine Beschwerde einreichen
„Viele Beschwerden gibt es nicht, die eigentlich berechtigt wären“, sagte Blum, selbst langjähriger Journalist. Bei der Einhaltung ethischer Grundsätze nimmt er nicht nur Organisationen und Verbände, sondern auch das Publikum in die Verantwortung.
Was soll man machen, wenn man einen Radio- oder Fernsehbeitrag nicht sachgerecht findet? Als Erstes wendet man sich bis spätestens 20 Tage nach dessen Ausstrahlung an eine der Ombudstellen für Radio und TV. In jeder Sprachregion gibt es diese Anlaufstellen unabhängiger Medien- und Rechtsexperten, zudem eine für Beschwerden an die SRG als grössten Anbieter. Im Gegensatz zu den Entscheiden der UBI sind jene der Ombudstellen nicht rechtskräftig. Erst wer mit diesen nicht zufrieden ist, kann danach eine Beschwerde bei der UBI einreichen. Das Verfahren ist kostenlos.

Zeitschriften als Sonderfall
Bei Printmedien gibt es kein spezifisches Gesetz. Die Kontrolle basiert auf den Regeln, die sich die Branche selbst auferlegt hat: Alle Journalisten, die sich im Branchenregister eintragen lassen – oder bei Junge Journalisten Schweiz einen Ausweis beantragen – unterschreiben die entsprechende Erklärung der Rechte und Pflichten. Ob diese ethischen Grundsätze eingehalten werden, entscheidet der Schweizer Presserat wiederum aufgrund von Beschwerden des Publikums.

Es gebe immer weniger medienkritische Stimmen, sowohl in der Bevölkerung wie in den Medien selbst, bedauert Blum. Ähnlich wie die NZZ, die jeweils dienstags eine „Medien-Seite“ publiziert, hätten dies auch andere Tageszeitungen getan – dann aber gemeinsam mit dem Abbau von Redaktionsstellen weggespart. Der medienethische Diskurs solle langfristig angeregt werden, so etwa mit regelmässiger Zeitungskritik in Schulklassen.

Zurück zur Frage des Referats: „Dürfen Medien hauen und stechen?“ Aus der Diskussion geht klar hervor, dass Kritik an den Medien nötig ist – sich Medien aber auch nicht vor Kritik scheuen dürfen. Investigatives Recherchieren solle auch unangenehm und aufdringlich sein, Medienschaffende kritisch und unverfroren argumentieren dürfen. „Nicht aber“, beteuert Blum, „wenn der Blick durch das Schlüsselloch keinem öffentlichen Interesse, sondern nur der Quotensteigerung dient.“

Das Verfahren vor und bei der UBI: http://www.ubi.admin.ch/de/themen_verfahren.htm
Webseite des Presserates: http://www.presserat.ch 

 

 

Hier finden Sie die Powerpoint-Präsentation zum Referat von Prof. Dr. Blum.

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