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"Ich befähige die Jugendlichen, sie übernehmen Verantwortung"

160 junge Menschen besuchen die Oberstufe in Lützelflüh. 40 davon engagieren sich als Freiwillige in diversen Teams der Jugendarbeit für attraktive Freizeitangebote. Wie er das hinkriegt und was das für Auswirkungen hat, darüber sprach der erfahrene Jugendarbeiter Reto Blaser in seinem Workshop.

 

Reto Blaser spricht schnell. Es sprudelt nur so aus ihm heraus. Kein Zweifel: der Mann weiss haargenau wovon er spricht, seiner täglichen Arbeit mit Jugendlichen, seit 22 Jahren. Rasch kommt er zum ersten wichtigen Eckpfeiler seines Erfolgskonzepts: "Ich befähige die Jugendlichen, sie übernehmen Verantwortung." Gemeint sind Aufgaben im Jugendtreff, die er in die Hände von Jugendlichen gibt, die Bar zum Beispiel oder die Aufsicht. Andere gestalten in Teams die Freizeitangebote für die 2. bis 4. Klässler oder die 5. und 6. Klässler. Und wiederum eine Gruppe von 15 Freiwilligen nimmt Reto Blaser jeweils mit ins Sommerlager. Das Modell auch dort: er betreut die Freiwilligen, sie schauen zu den 60 Teilnehmenden. Wichtig: Es dürfen nicht zu viele Freiwillige im Verhältnis sein: "Denn sie brauchen Herausforderungen, damit ihnen wohl ist."  

 

Freiwilliges Engagement: Wer früh beginnt, bleibt dran 

 

Warum er in dieses Modell so viel investiert und flammend dafür eintritt? "Weil dieses freiwillige Engagement wichtige Prozesse in den Jugendlichen auslösen kann, sie lernen für ihr Leben und steigern ihre sozialen Kompetenzen", so Blaser. Die vier wichtigsten Eigenschaften und Fähigkeiten, die auf diese Art gelernt werden, zeigt ein Forschungsprojekts zum Thema "Informelle Lernprozesse im Jugendalter…" deutlich auf: "Auf andere Menschen zugehen", "Selbstbewusstsein", "Toleranz" und "Konfliktfähigkeit". Der Jugendarbeiter kann das nur bestätigen. Hinzu komme, dass wer früh freiwilliges Engagement kennenlerne, nicht selten ein Leben lang davon begleitet werde. Kein unwichtiger Faktor in einer Gesellschaft, in der Freiwilligenarbeit einen hohen Stellenwert in sehr vielen Bereichen hat, vom Sport bis zu Politik.

 

Aus dem gleichen Forschungsprojekt geht denn auch hervor: von den im Erwachsenenalter freiwillig Engagierten bringen die meisten Erfahrungen aus der Jugendzeit mit. Umgekehrt steigt schwerlich ein, wer auch schon als Jugendlicher nur konsumierte und teilnahm.  

 

Jährliche Zukunftswerkstatt, um Ideen abzuholen 

 

Dann zeigt Blaser wichtige Faktoren auf, damit das mit dem freiwilligen Engagement klappt. Vorab ist für ihn zentral, dass die Jugendlichen den Treff als einen Ort empfinden, der ihnen wichtig ist, wo es spannend ist, ein "place to be", "ein zweites Stück Heimat nebst dem Elternhaus sozusagen. Das ist die Basis. Dann will man teil davon werden." Also: zuerst etwas bieten, dann einbinden, passende Aufgaben finden für die, die bereit sind, Verantwortung übergeben, herausfordern. Aber auch Privilegien oder Goodies gehörten dazu: kein Geld, aber Kurse, spezielle Weekends nur für die Freiwilligen, gemeinsame Ausflüge. 

 

Ein wichtiges Element in dem ganzen Modell ist die Zukunftswerkstatt, die Blaser einmal jährlich mit allen neuen 7. Klässlern in der Schule durchführt. Bis zu 150 Vorschläge und Wünsche an den Jugendtreff kämen da jeweils zusammen. Jedoch: "Wenn ich die einfach so umsetze, sind die Jugendlichen enttäuscht", sagt Reto Blaser und spricht damit ein Phänomen an, das sich erst in den letzten Jahren akzentuiert habe: "Die Jugendlichen haben höhere Erwartungen als sie selbst ausdrücken können. Sie bringen vor allem Ideen, die sie schon kennen. Aber genau das langweilt sie dann." Also überlege er jeweils, welches Bedürfnis hinter den Inputs wirklich stecke und entwickle dann etwas daraus, etwas Überraschendes, zum Beispiel eine Party, wo man sich von einer Coiffeuse Frisuren machen lassen, sich verkleiden und an einem Fotoshooting teilnehmen kann.  

 

Animation im Jugendtreff als verbindendes Element  

 

Immer wieder lässt Reto Blaser mit Zahlen und Bemerkungen durchblicken, dass es ihm wichtig ist, dass der Jugendtreff möglichst viele Jugendliche anzieht, um relevant zu sein. "Doch warum eigentlich?", will ein Teilnehmer wissen. Einerseits, so Blaser, weil nicht alle Alternativen besser seien. Stichwort: Computergames oder Abhängen bei den älteren Alkohol trinkenden Jugendlichen am Bahnhof. Andererseits weil ein guter Jugendtreff aus seiner Sicht so ausgerichtet sein sollte, dass er unterschiedliche Jugendliche anzieht und nicht nur einzelne Cliquen. "Und dafür braucht es Animation als verbindendes Element, als Brückenbauer."

 

Das überzeugt nicht alle Teilnehmenden gleichermassen, ist aber Reto Blaser Erfahrung aus den letzten Jahren. Er sagt deshalb auch unumwunden: "Die Erwartungen der Jugendlichen an die Freizeit waren nie so hoch wie heute." Noch nie habe es so viele Angebote gegeben, von der ganzen digitalen Welt bis zu kommerziellen Freizeitangeboten wie dem Europapark. Eine historisch völlig neue Situation, die auch dazu führe, dass er nun zwar einige Jugendliche habe, die sich bereits seit 2013 freiwillig für den Treff engagieren, "gute Leute", wie Blaser betont, und trotzdem blieben 70 Prozent der Aufgaben und der Leitung an ihm hängen.  

 

Ganz anders die Situation früher: Da habe er auch schon mal Freiwillige gehabt, die sieben Jahre geblieben sein und ihn am Ende fast überflüssig gemacht hätten. Das könne er sich heute gar nicht mehr vorstellen: "Heute bleiben die Freiwilligen nicht mehr so lange." Das geht auch aus der Deutschen Shell Jugendstudie hervor, bei der unter den Motiven zum freiwilligen Engagement "muss ich jederzeit wieder aussteigen können" an zweiter Stelle figuriert. Wichtiger ist bloss noch, "dass es Spass macht". Ziemlich einleuchtend, oder?

 

Weitere Erkenntnisse und Zahlen aus dem Workshop von Reto Blaser gibt es hier.

 

Reto Blaser führt nebst seiner Tätigkeit als Jugendarbeiter in Lützelflüh den Verein Jugendwerk mit Sitz in Münchenbuchsee. Dieser bezweckt die Förderung von wirkungsstarker und attraktiver Kinder- und Jugendarbeit in der Schweiz und führt mit neun lokalen Fachstellen die offene Kinder- und Jugendarbeit von  18 Gemeinden. Eines der zentralen Ziele dabei: "Junge Menschen werden für die Verantwortungsübernahme motiviert und darin ausgebildet und begleitet."

 

Text: Janosch Szabo, Fotos: Raphael Hünerfauth

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