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Werden die Reichen reicher? – Ein Ökonom verneint

Christoph Schaltegger (47) gilt laut NZZ als einer der "streitbarsten Intellektuellen" der Schweiz. An der Sommerakademie lobt der Wirtschafts-Professor den Schweizer Arbeitsmarkt. Dieser sei das langjährige Rezept für die geringe Armutsquote in Helvetien.


Wirtschaftstheorie trifft auf die Praxis von Sozialarbeitenden: Christoph Schaltegger, Professor für Politische Ökonomie an der Uni Luzern, tritt am zweiten Tag der diesjährigen Sommerakademie von infoklick.ch auf. Sein (Reiz-)Thema: "Werden die Reichen immer reicher?"

Eine Frage, welche den versammelten Zuhörer*innen unter den Nägeln brennt: Finanzielle Ungleichheit, Arbeitslosigkeit, Armut, sozialstaatliche Massnahmen bestimmen nicht nur die tagtägliche mediale Berichterstattung, sondern gehören auch zum Arbeitsfeld der Sozialarbeit.


Während eines halbstündigen Referats und einem anschliessenden Vertiefungsworkshop präsentiert der Ökonom seine wirtschaftswissenschaftlichen Ansichten anhand von zahlreichen Grafiken, Graphen und volkswirtschaftlichen Modellen. "Die ganzen Zahlen sind für einen Laien wie mich schon ziemlich verwirrend", heisst es dann etwa in einer Wortmeldung aus dem Publikum.

 

Klar werden Schalteggers Schlussfolgerungen dennoch: Die finanzielle Gleichheit in der Schweiz sei hoch, die Armutsquote gering. Und die Werte seien seit Jahren stabil. Dass das oberste Prozent der Schweizer Bevölkerung rund 10 Prozent des Einkommens besitzt, hält der Wirtschaftsexperte für vertretbar. International gibt er aber zu, dass es – etwa in den USA – eine ernstzunehmende Ungleichheit gibt.


Schaltegger eckt an

Seine Aussagen sorgen im Publikum für das eine oder andere Stirnrunzeln. Nicht umsonst bezeichnete die "NZZ" Christoph Schaltegger im einem Porträt Ende Januar als "einen der streitbarsten Intellektuellen im Land".


Fest steht aber: Die Argumente gehen dem 47-Jährigen nie aus. Und auch Lob für das Schweizer Wirtschaftssystem kommt nicht zu kurz. Insbesondere hebt der Ökonom den flexiblen Arbeitsmarkt hervor, welcher einen hohen Beschäftigungsgrad zur Folge habe. Arbeiten viele, so sei das Einkommen auch besser verteilt und die Armut werde gering, ist er überzeugt.


Als Referenz verweist Schaltegger auf Frankreich. Dort sei das Einkommen zwar ähnlich gleich verteilt wie hierzulande, allerdings seien dafür zahlreiche sozialstaatliche Massnahmen notwendig. Die Umverteilung – durch Steuern, sowie etwa auch durch die AHV – finde zwar auch in der Schweiz statt, doch bereits vor einer solchen Umverteilung sei das Einkommen in der Schweiz einigermassen gleich verteilt. In Frankreich hingegen sei dies überhaupt nicht der Fall. Die Auswirkungen durch den hiesigen Sozialstaat veränderten die Einkommensverhältnisse nur um wenige Prozent.

 

"Schweiz ist effizienter Umverteilungsstaat"
Heisst: Wofür andere Länder zahlreiche staatliche Interventionen benötigten, schaffe die Schweiz es auch ohne. «Die Schweiz ist ein effizienter Umverteilungsstaat», lobt der Professor. Auch wenn der eine oder andere im Publikum sichtlich irritiert auf seine Lobeshymne reagiert, scheint dies in der Breite der Bevölkerung so anzukommen: In der Schweiz schätzen die Menschen gemäss Umfragen die Ungleichheit im Vergleich zum Ausland als gering ein. In Frankreich hingegen – wo nach Umverteilung ja ein ähnliches Niveau herrscht – ist das Empfinden jedoch anders.


Denn: Durch die zahlreichen Massnahmen kommen dort Geringverdiener*innen auf ein nahezu gleiches Einkommensniveau wie Sozialhilfebezüger*innen. So kommt die Frage auf, warum man sich denn überhaupt angestrengt habe. Die soziale Unzufriedenheit steigt.

 

"Bin froh, gibt es die Sozialarbeit"
Restlos überzeugen kann Christoph Schaltegger die Teilnehmer*innen nicht. Aber das war wohl auch nicht sein Ziel. Vielmehr nutzt der Forscher die Gelegenheit, sich der "Realität" zu stellen. Und dabei stellt er klar: "Nur weil ich Armut nicht als gesamtwirtschaftliches Problem betrachte, heisst es nicht, dass mir der Einzelfall egal ist. Ich bin froh, dass es für jene Leute die Sozialarbeit gibt!"


Und obwohl Schaltegger zu Beginn "Greifen Sie mich ruhig an!" posaunte, bleibt die Diskussion sachlich und ausführlich – ganz zur Freude der Anwesenden. "Gott sei Dank diskutierten wir nicht wie in der ‹Arena›!", schliesst ein Teilnehmer den Vertiefungsworkshop.

(Text: Riccardo Schmidlin, Bilder: Raphael Hünerfauth)

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