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Kinderarmut – mehr oder weniger offensichtliche Gründe und Folgen

Wie geht es Kindern, die von Armut betroffen sind? Dr. phil. Heidi Simoni erzählt von den vielseitigen Aspekten.

 

"Ich war 23, hatte keine Ausbildung und keinen Beruf. Oft arbeitete ich stundenweise und wir hatten nur Möbel vom Brockenhaus und Kleider von der Kinderkleiderbörse", eröffnet Dr. phil. Heidi Simoni das heutige Referat und fährt fort: "Als ich einen neuen Tisch gekauft habe, war mein Sohn entsetzt, da wir ihn in einem Brockenhaus viel günstiger hätten kaufen können. Doch damals wusste ich, dass unsere Situation eine vorübergehende Phase war." Ein gutes soziales Netz und Unterstützung von allen Seiten gaben ihr Sicherheit. Heidi Simoni arbeitet heute als Institutsleiterin des Marie Meierhofer Institut für das Kind.

Kinder schon früh fördern

"Kinder haben Rechte und dürfen nicht diskriminiert werden", sagt Simoni. Der Schutz sei sehr schwierig, wenn Kinder nicht wüssten, dass sie sich äussern dürfen, können und sollen. Ausserdem sei es wichtig, einem Kind Sicherheit zu geben. Nur mit Boden unter den Füssen könne es sich richtig entwickeln, lernen und neugierig sein. Es müsse sich wohlfühlen, denn die Erfahrung zeige: Ein unsicheres Kind kann sich nicht auf eine Aufgabe konzentrieren. Im Bezug auf die Armut sollten Kinder laut Simoni lernen, dass sie sich nicht für die Situation der Eltern – ihre Situation – schämen müssen.

Armut ist relativ
Doch nicht nur die Kinder, auch die Eltern müssten sensibilisiert werden. Es müsse viel offener über das Thema Armut gesprochen werden, findet Simoni und fährt fort: "Armut ist relativ. Es ist kein individuelles, sondern ein strukturelles Problem. Trotzdem ist es wichtig, eine individuelle Lösung zu finden." Schon nur die interessierte Nachfrage, wie es einem gehe, könne helfen.

Wichtig zu verstehen ist auch der Kontext: Wenn Eltern keine Perspektive sehen, tätigen sie eher kurzfristige Ausgaben. So erscheine für viele ein Fast-Food Menü günstiger, als Nahrungsmittel im Bio-Laden einzukaufen, auch wenn es langfristig für die Gesundheit schlechter sei. Bei grösseren Ausgaben würden die Eltern eher in einen Flachbildschirm investieren, statt in eine Kita für ihr Kind. Denn viele sähen die Zukunft ihrer Kinder ähnlich wie ihre eigene – der Drang, etwas zu ändern und in die Kinder zu investieren scheint klein. Wenn man genauer hinsehe, merke man aber: Sie haben resigniert, ihr Erwartungshorizont ist bereits stark eingeschränkt.


Mit Betroffenen sprechen

Um zu verdeutlichen, wie wichtig der Miteinbezug der Betroffenen ist, erzählt uns Heidi Simoni eine emotionale Geschichte: "Eine Familie aus Sizilien lebte in einer kleinen Wohnung in der Schweiz mit drei Kindern. Das Jüngste war schwer behindert und schrie deswegen die meiste Zeit. Die dafür zuständige Familienbetreuerin entschied, für sie eine grössere Wohnung zu organisieren. Diese lehnte die Familie dankend ab, äusserte jedoch den Wunsch, stattdessen mit der ganzen Familie nach Sizilien zu fliegen, um ihr krankes Kind der Familie vorzustellen." Was auf den ersten Blick befremdend wirkt, hatte einen einfachen Grund: "Speziell für die Mutter war dies eine enorme Erleichterung, endlich konnte sie ihr Kind vertrauten Personen überlassen und durchatmen." Simoni ist deshalb sicher: Manchmal sei es wichtig, sich zuerst nach den Bedürfnissen eines Menschen zu erkunden, bevor man Entscheidungen fälle.

Man merkt sofort, dass das Thema Armut im Zusammenhang mit Kindern viele Fragen aufwirft. Sowohl direkt nach dem Referat, als auch im Workshop reicht die Zeit nicht, um alle zu beantworten.  
Im Vertiefungsworkshop wird daher eifrig über Entwicklung, Investitionen, Eltern und Grosseltern diskutiert. "Es ist wichtig, das ganze Umfeld miteinzubeziehen und auch zu lernen, Hilfe anzunehmen. Die Frage ist nicht, ob man etwas tun kann, sondern will", betont Simoni zum Schluss.

(Text: Mirjam Lenherr, Bilder: Raphael Hünerfauth)

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