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Tour de Science 1/2015: Jugend und Alkohol

Verbote nützen gar nichts, so lautet eine der Erkenntnisse der ersten Etappe der Tour de Science. Am Auftaktsanlass der neuen Plattform stand das Thema „Jugend und Alkohol“ im Zentrum. Mit der Tour de Science wollen die Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft der Jugendverbände (SAJV) und infoklick.ch kontrovers diskutierte Themen der Kinder- und Jugendförderung aufgreifen und einen Dialog zwischen Forschung und Jugendarbeit anstossen.

Die erste Etappe der Tour de Science führte die Teilnehmenden einmal um den Globus – und zurück ins nationale Geschehen. Die neue Plattform Tour de Science nahm am Auftakt am 12. Mai das Thema Jugend und Alkohol auf. Im Zentrum für Kinder- und Jugendförderung passepartout-ch in Moosseedorf wurden Interventions- und Präventionsmassnahmen aus der ganzen Welt vorgestellt. Aber auch aufgezeigt, welche Bestrebungen in der Schweiz im Gange sind.


Die Tour de Science will im Rahmen von verschiedenen Anlässen verteilt übers Jahr den Dialog zwischen Forschung und Jugendarbeit anstossen – und vor allem auch Transparenz schaffen zu kontrovers diskutierten Themen im Kinder- und Jugendbereich. Die Idee der Initianten von infoklick.ch und der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft der Jugendverbände (SAJV) geht noch weiter: Fachleute aus dem Arbeitsfeld der Kinder- und Jugendförderung bekommen mit der Tour de Science eine Plattform, sich in einem ungezwungenen Rahmen kennenzulernen, auszutauschen und erhalten zudem neue Inputs zu fachrelevanten Themen.


So informierte am ersten Anlass die Sozialgeographin Sara Landolt über internationale Forschungsergebnisse. In ihrem Referat „Jugendlicher Alkohol Konsum zwischen Genuss, Risiko und Verbot“ zeigte sie auf, welche Massnahmen, welche Wirkung erzielen. Einen praktischen, nationalen Fokus bot den Teilnehmenden Andreas Tschöpe, Geschäftsleiter der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft der Jugendverbände (SAJV). Er zeigte auf, wie die Situation für Jugendliche im Umgang mit Alkohol in der Schweiz ist und stellte das Politikpapier Risiko und Risikokompetenzen der Jugendverbände vor.


„Verbote zurückhaltend erlassen“


Das Politikpapier der SAJV soll ein Wegweiser sein, wie Tschöpe erläutert. Die Jugendverbände formulieren darin politische und gesellschaftliche Ziele und Forderungen im Zusammenhang mit Jugendlichen und Suchtmitteln wie Alkohol. Das Strategiepapier zeigt auch auf, wie Jugendliche Risiko erleben und Risikokompetenzen erwerben können. „Wir wollen mit dem Papier die Gratwanderung, die alle Akteure durchmachen, etwas vereinfachen“, so Andreas Tschöpe.


Denn geht es um Jugendliche und Alkohol, werden die Diskussionen meist hitzig. Eltern, Jugendarbeitende, Gesundheits-Fachleute, PolitikerInnen – alle haben eine Meinung, ab wann Jugendliche wie viel trinken sollen. In den Medien werden Jugendliche oft als Horde von Komasäufern dargestellt – oder nach neuen Studien als eine Generation von Abstinenzlern. Und so haben auch alle – Erziehungsberechtigte, Fachpersonen aus dem Sozialbereich, Politiker – eine klare Vorstellung, welche Vorschriften, Regeln und Gesetze für Jugendliche gelten sollen.


Mit dem Politikpapier appelliert die SAJV an Eltern, Gesellschaft, Medien und Politik: „Kindern und Jugendlichen soll der nötige Freiraum gegeben werden, damit sie Risiko erleben und Risikokompetenzen erwerben können.“ So müssten Jugendliche auch das Trinken erleben und so selber Risikokompetenzen erlernen können – wissen, wann genug ist, was gut ist für sie selbst und für das Umfeld. Dementsprechend zurückhaltend solle man Regulierungen und Verbote erlassen.


Jugendliche müssen erste Erlebnisse reflektieren


Dass Restriktionen oft den gegenteiligen Effekt haben können, betonte auch die Sozialgeographin Sara Landolt in ihrem Referat. So stufe man es oft als Risikoverhalten ein, wenn Jugendliche trinken würden. „Subjektiv betrachtet ist es aber vielleicht auch einfach eine sinnvolle Suchbewegung“, so Landolt. Denn es sei wichtig und sinnvoll, dass Jugendliche erste Rauscherlebnisse machen könnten. Noch viel wichtiger ist aber das, was danach kommt: „Nach den ersten Erlebnissen muss es zu einer Auseinandersetzung mit dem Thema Alkohol kommen“, so Landolt. Jugendliche müssen ihre Erlebnisse reflektiert betrachten und einsortieren. In welchem Setting – ob mit Eltern oder Jugendarbeitenden – dies geschieht, sei nicht so wichtig. Entscheidend ist, dass es geschieht. „Meist kommt es aber nach ersten Rauscherlebnissen zu Streit und Restriktionen im Elternhaus“, schildert Landolt. Der wichtigste Moment für Jugendliche, um sich mit Risikoverhalten und Risikokompetenzen zu befassen, sei somit vertan.

 

Sara Landolt forscht am Geographischen Institut der Universität Zürich, Abteilung Humangeographie. Schon früh hat sie sich auf Themen im Jugendbereich spezialisiert. Sie untersucht unter anderem die Themen Jugendliche im öffentlichen und digitalen Raum – aber eben auch jugendliches Trinkverhalten. In ihrem Referat an der Tour de Science stellte Landolt Massnahmen aus der ganzen Welt vor. Anhand verschiedener Beispielen aus der Forschung und der Praxis zeigte sie auf, wie Jugendliche auf Interventionen, Verbote oder Präventionsmassnahmen reagieren.


„Gesetzliche Vorgaben sind für Jugendliche nicht relevant“


„Nur weil Erwachsene ein Verbot sinnvoll und gut finden, heisst das nicht, dass dies Jugendliche auch so sehen und sich davon angesprochen fühlen“, so Landolt im passepartout-ch. Gesetzliche Vorgaben seien für Jugendliche nicht relevant, wenn es um das Thema Alkohol geht. „Darum ist es besonders wichtig, dass junge Menschen den Umgang mit Alkohol lernen.“ Jugendliche an einen überlegten Alkoholkonsum heranführen, könne man auf verschiedene Arten. Von restriktiven Massnahmen bis zu „learning by doing“-Praktiken gibt es alles, wie Landolt an echten Beispiel aus der Praxis aufzeigt.


Doch welche Massnahmen sind denn auch sinnvoll? Die Expertin zeigt dies anhand verschiedenen Evaluationsergebnissen auf. Auswertungen zeigen: Verhältnisprävention bringt mehr als Verhaltensprävention. Es sei also effektiver die Umwelt zu verändern, als Einfluss auf das Verhalten von Jugendlichen Einfluss nehmen zu wollen. Bei der schulbasierenden Prävention wiederum würde zwar das Wissen gesteigert – aber auch dies habe keinen Einfluss auf das Verhalten von jungen Menschen. Als besonders „fruchtbar“, um Jugendliche an einen gesunden Konsum heranzuführen, erwiesen sich offenbar sogenannte „Community Interventions“, wie Landolt erzählt.


Aktiver Miteinbezug von verschiedenen Akteuren


Community Interventions finden in der Regel auf Gemeindeebene statt. Alle Akteure – vom Verkaufspersonal über die erwachsene Käuferschaft bis zu den Jugendlichen und ihre Eltern – würden dabei in den Diskurs miteinbezogen. „Der aktive Miteinbezug, die Mobilisierung von verschiedenen Personengruppen ist sehr effektiv“, schildert Landolt. Denn: Jugendliche suchen den offenen Diskurs. Dies zeigen Umfragen, die Landolt bei Schülern aus Zürich durchführte. „Junge Menschen wollen es nicht verheimlichen müssen, dass sie trinken – sie wünschen sich Transparenz und Offenheit im Elternhaus.“ So sollen sich Eltern zwar kümmern – aber gleichzeitig auch abgrenzen. So, dass der Jugendliche seine eigenen Erfahrungen machen kann. Diese aber auch – ob positiv oder negativ – zur Diskussion bringen und das Erlebte somit reflektieren kann.


Die nächste Etappe der Tour de Science ist an der Sommerakademie von infoklick.ch in Engelberg. Das Thema der Tagung: „Spinnst du?! Normalität in der Kinder- und Jugendarbeit“.

Dr. Sara Landolt arbeitet am Geographischen Institut der Universität Zürich, Abteilung Humangeographie. Landolt hat sich auf die Forschungsbereiche Soziale Geographie, Gender, Jugendgeographie und Trinkverhalten spezialisiert.

Die Humangeographie beschäftigt sich mit dem Verhältnis von Raum und Mensch − oder genauer − mit der räumlichen Organisation menschlichen Handelns.

Ein Lebenslauf sowie verschiedene Publikationen von Sara Landolt sind hier zu finden.

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